Vaginismus: Wenn der Körper «Nein» sagt.

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Vaginismus: Wenn der Körper «Nein» sagt.

Kennen Sie das? Die Vorfreude auf einen intimen Moment, die Sehnsucht nach Nähe, doch dann, wenn es so weit ist, zieht sich alles zusammen. Eine unsichtbare Mauer, die sich im Körper aufbaut, obwohl der Kopf und das Herz vielleicht «Ja» sagen. Es ist ein frustrierender, oft schmerzhafter und zutiefst einsamer Moment, wenn der eigene Körper nicht so reagiert, wie man es sich wünscht. Wenn Penetration unmöglich scheint oder nur unter Schmerzen ertragen wird, obwohl der Wunsch nach Verbindung da ist.

Dieses Phänomen hat einen Namen: Vaginismus. Doch hinter diesem medizinischen Begriff verbirgt sich so viel mehr als nur eine körperliche Reaktion. Es ist die Geschichte eines Körpers, der aus tiefen, oft unbewussten Gründen «Nein» sagt. Ein «Nein», das gehört, verstanden und liebevoll angenommen werden möchte, anstatt bekämpft zu werden.

Was ist Vaginismus eigentlich?

Vaginismus ist eine unwillkürliche, reflexartige Anspannung der Beckenbodenmuskulatur, die den Vaginaeingang umgibt. Diese Anspannung geschieht automatisch und lässt sich nicht bewusst steuern. Es ist kein «Nicht-Wollen», sondern ein «Nicht-Können». Der Körper reagiert mit einer Schutzhaltung, die jede Form von Penetration – sei es durch einen Penis, einen Finger, ein Tampon oder bei einer gynäkologischen Untersuchung – schmerzhaft oder unmöglich macht. Es ist wichtig zu verstehen, dass dies keine anatomische Anomalie ist. Es ist eine erlernte Reaktion des Nervensystems, oft ausgelöst durch frühere schmerzhafte Erfahrungen, Ängste, Stress oder unbewusste Überzeugungen über Sexualität und den eigenen Körper.

Der Beckenboden: Das Zentrum unserer Emotionen

Der Beckenboden ist weit mehr als nur eine Muskelgruppe. Er ist ein emotionales Zentrum, ein Resonanzboden für unsere Gefühle. In ihm speichern sich Freude und Lust, aber auch Angst, Anspannung und unverarbeitete Erlebnisse. Bei Vaginismus befindet sich diese Muskulatur in einem Zustand chronischer Anspannung. Es ist ein verkörpertes «Nein», ein ständiger Alarmzustand, der signalisiert: «Hier ist es nicht sicher.»

Der erste Schritt auf dem Weg der Heilung ist daher nicht, diesen Widerstand zu brechen, sondern ihn zu verstehen. Es geht darum, vom Kampfmodus in einen Dialogmodus zu wechseln. Anstatt gegen den Körper zu arbeiten, laden wir ihn ein, uns seine Geschichte zu erzählen. Was braucht er, um sich wieder sicher zu fühlen? Was braucht er, um von der Anspannung in die Entspannung zu finden?

Ein Pfad der Langsamkeit und Selbstliebe

Der Weg aus dem Vaginismus ist kein Wettlauf, sondern eine Reise zu sich selbst. Er erfordert Geduld, Mitgefühl und vor allem die Bereitschaft, alte Muster loszulassen und neue Wege zu gehen. Hier sind einige zentrale Aspekte dieses Weges:

Selbstakzeptanz: Dein Körper ist nicht dein Feind

Der vielleicht wichtigste Schritt ist die radikale Selbstakzeptanz. Ihr Körper tut dies nicht, um Sie zu ärgern oder zu bestrafen. Er versucht, Sie zu schützen. Diese Reaktion, so frustrierend sie auch sein mag, hat einen Ursprung und einen Sinn. Anstatt Wut oder Enttäuschung auf den eigenen Körper zu projizieren, versuchen Sie, ihm mit Mitgefühl zu begegnen. Sagen Sie ihm: «Ich sehe dich. Ich höre dein Nein. Und wir finden gemeinsam einen Weg.» Diese Haltung der Selbstliebe ist das Fundament, auf dem jede Veränderung wachsen kann.

Langsamkeit: Die Kunst, den Moment zu dehnen

In unserer schnelllebigen Welt haben wir oft verlernt, langsam zu sein. Doch Heilung braucht Zeit. Vaginismus zwingt uns dazu, innezuhalten und uns wieder mit der Langsamkeit zu verbinden. Es geht darum, den Fokus vom Ziel (Penetration) auf den Prozess zu verlagern. Entdecken Sie Ihren Körper neu, ohne Erwartungen. Erforschen Sie Berührungen, die nichts mit sexueller Leistung zu tun haben. Was fühlt sich gut an? Wo im Körper spüren Sie Entspannung? Langsamkeit schafft den Raum, in dem das Nervensystem lernen kann, dass Berührung und Nähe sicher sind.

Anspannung und Entspannung: Dem Beckenboden lauschen

Der Schlüssel zur Lösung der unwillkürlichen Anspannung liegt darin, die Fähigkeit zur bewussten Entspannung wiederzuerlangen. Dies kann durch gezielte Beckenbodenübungen geschehen, bei denen es nicht um Stärkung, sondern um Wahrnehmung und Loslassen geht. Atemübungen, sanftes Dehnen und achtsame Selbstberührung können helfen, dem Beckenboden beizubringen, dass er nicht ständig in Alarmbereitschaft sein muss. Es ist ein Prozess, die Kontrolle zurückzugewinnen, indem man die Kontrolle abgibt und dem Körper erlaubt, sich in seinem eigenen Tempo zu öffnen.

Einladung zum Dialog

Der Weg durch den Vaginismus ist oft ein Weg, der von Scham und Schweigen begleitet wird. Doch Sie sind nicht allein. Es ist ein Thema, das viele Frauen betrifft, und es gibt Wege, die aus der Anspannung in eine neue, selbstbestimmte und lustvolle Sexualität führen.

Wenn Sie sich in diesen Zeilen wiedererkennen und den Wunsch verspüren, sich diesem Thema in einem geschützten und professionellen Rahmen zu nähern, möchten wir Sie herzlich einladen.

Gemeinsam mit der erfahrenen Sexologin Dominique Tanner (MAS Sexologie ISP) biete ich im Dezember einen Workshop speziell zum Thema Vaginismus an. Hier schaffen wir einen Raum für Austausch, Wissen und praktische Übungen, um dem Teufelskreis aus Schmerz und Angst zu begegnen.

Weitere Informationen zum Workshop finden Sie auf dem untenstehenden Flyer.

Stephanie Dreier